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Frank Sieber

KORA/COSEC-Newsletter 2/23


Guten Tag, Bonjour, Buongiorno, Bun di

Nach gut achtmonatiger Pause erhalten Sie wieder einen KoRa/COSEC-Newsletter. Der Mehraufwand im Zuge des Legislaturwechsels in der Zürcher Redaktionsstube hatte diesen freundeidgenössischen Austausch der kantonalen Parlamente zwischenzeitlich etwas in den Hintergrund treten lassen. Auch der heutzutage naheliegende Versuch, zur Not schnell eine künstliche Intelligenz etwas schreiben zu lassen, war fruchtlos geblieben. ChatGPT formulierte ein zwei genauso dröge wie streberhafte Abschnitte mit Schulwissen über Kantonsparlamente und gab dann bei der anschliessenden Frage die Auskunft, der Chat sei ausgelastet, man solle es doch bei der Vollbildversion versuchen. Nur war dort das Anfragelimit eben auch schon erreicht. Eigentlich ein beunruhigend menschliches Verhalten, diese ins Nichts führende Abwimmelei.


Als tauglicher erweist sich da die Spracherkennung der Firma Recapp, die in mehreren Kantonsparlamenten das Protokollieren unterstützt – neu auch in Basel, wie Sie unten lesen können. Auch diesem Hilfsmittel fehlt aber noch das Ohr für die Feinheiten des parlamentarischen Jargons. Im Zürcher Parlament protokolliert sie beispielsweise «KEVU» (Kommission für Energie, Verkehr und Umwelt) regelmässig als «Käfer» und verdreht auch anderes ins Sinnlose. Manches allerdings auch ins Sinnliche - vor allem dann, wenn die Zahl Sechs im Spiel ist. Aber selbst wenn menschliche Intervention noch nötig ist, zeigt sich hier doch jetzt schon der Nutzen der Spracherkennung für die Dokumentation der Ratssitzungen und die Recherche in den Debatten.Damit überlasse ich Sie nun den hirnersonnenen und handgetippten Beiträgen aus Basel, St. Gallen, Graubünden, Zürich und – not least – Appenzell Ausserrhoden, das eine Episode für die lose Reihe «Heiterkeit / Hilarité» zugeliefert hat.


Einen schönen Herbst!

 

BS: Neue Abstimmungsanlage und Saaltechnik

Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt hat am 13. September 2023 eine neue Abstimmungsanlage und eine neue Saaltechnik in Betrieb genommen. Der Einbau der fast 160 Abstimmungsgeräte für 100 Mitglieder des Parlamentes hatte sich schwierig gestaltet, weil auch die Auflagen des kantonalen Denkmalschutzes zu berücksichtigen waren.


Das neue System basiert auf der Technik der Firma Brähler mit verkabelten Abstimmungseinheiten, Druckknöpfen und ohne Mikrofone am Platz. Die Programmierung und Umsetzung wurde von der Firma Kilchenmann geplant und die Firma Auviso hat die Anlage installiert. Mit der Einführung des neuen Abstimmungssystems wurde die Protokollierung auf Recapp umgestellt. Neu wird ein audiovisuelles-Protokoll der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Bei Interesse können mehr Informationen zur technischen Umsetzung und Erfahrungen mit dem System bei Beat Flury (beat.flury@bs.ch) angefragt werden.

 

GR: Simultanübersetzung der Grossratssessionen

Im Grossen Rat des Kantons Graubünden ist in der Augustsession 2023 eine Simultanübersetzung getestet worden. Vorerst blieb die Dienstleistung den Ratsmitgliedern vorbehalten. Die Reaktionen waren durchwegs positiv und sowohl Rats- als auch Regierungsmitglieder sprachen deutlich mehr Romanisch oder Italienisch als früher. Sofern die Optimierungs- und Abschlussarbeiten erfolgreich verlaufen, werden die Übersetzungen ab der Oktobersession 2023 live gestreamt.


Der Grosse Rat hatte in der Aprilsession 2022 beschlossen, die Debatten künftig simultanübersetzen zu lassen. Ziel dieser Massnahme ist es, dass sich jedes Ratsmitglied in seiner Muttersprache – Deutsch, Romanisch (alle Idiome) oder Italienisch – äussern kann und von allen Ratsmitgliedern verstanden wird.


Die Vergabe an einen Anbieter professioneller Dolmetschdienstleistungen durch die Präsidentenkonferenz des Grossen Rats erfolgte im Februar 2023. Die baulichen Massnahmen im Grossratsgebäude wurden im Sommer umgesetzt. Im Tribünenbereich entstanden zwei Dolmetscherkabinen. Zudem musste die Videotechnik erneuert und ein Vorbereitungs- und Ruheraum für die Übersetzerinnen und Übersetzer eingerichtet werden.

 

SG: Änderungen im Parlamentsrecht

Zusammen mit dem vierjährlichen Bericht über die Tätigkeit des Parlamentes hat das Präsidium des Kantonsrates St. Gallen dem Kantonsrat verschiedene Anpassungen des Geschäftsreglements (sGS 131.11; abgekürzt GeschKR) vorgelegt. Die Anpassungen betreffen Themen wie die parlamentarischen Instrumente bei unaufschiebbarem Regelungsbedarf, die Förderung des papierlosen Ratsbetriebs, die Festlegung von Voraussetzungen für die Abschreibung von Aufträgen und Vorstössen sowie die sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter im Erlass. Beim Zugang zu Dokumenten des Kantonsrates hielt der Kantonsrat im Grundsatz an der bisherigen Regelung und Praxis fest. Abgelehnt wurden die Einführung von ständigen Fachbereichskommissionen, die Senkung der Mindestgrösse von Fraktionen, die Schaffung eines Beobachterstatus in Kommissionen für fraktionslose Gruppierungen sowie eine finanzielle Entschädigung für Ratsmitglieder mit Betreuungspflichten.

 

ZH: Bericht zur Legislatur 2019-2023

Der Zürcher Kantonsrat hat dieses Jahr zum Legislaturwechsel erstmals einen Legislaturbericht publiziert. Der Bericht umfasst einerseits einordnende Texte zu den prägenden Ereignissen und Entwicklungen der vergangenen vier Amtsjahre und anderseits auch statistisches Material zu den Geschäften. Es wurde Wert darauf gelegt, dass verschiedene Perspektiven vertreten sind. Die Fraktionschefs erhielten in einem Kurzinterview Gelegenheit, aus ihrer Sicht Bilanz zu ziehen, und die Kommissionen resümierten ihre wichtigsten Geschäfte.


Die vergangene Legislatur wird vor allem als Corona-Legislatur in Erinnerung bleiben. Der Zürcher Kantonsrat, der auch in der akuten Phase der Krise bemüht war, seine Arbeit fortzusetzen, ist in diesen vier Jahren dreimal umgezogen. Jetzt tagt er in der früheren Bullingerkirche, die zum Rathaus umgebaut wurde. Bis die Sanierung des alten Rathauses abgeschlossen sein wird, werden die Sitzungen des Kantonsrats, des Stadtparlaments und der Kirchenparlamente hier stattfinden.


Die besonderen Umstände der Pandemie beschleunigten die weitere Öffnung des Kantonsrats zum Publikum. Die einschlägigen digitalen Schaufenster wurden neu gestaltet oder neu erschlossen: Die Website wurde erneuert, Social Media Accounts wurden eröffnet und die Ratsdebatten per Live-Stream übertragen. Ein Jahr vor Ausbruch der Pandemie hatte sich der Kantonsrat noch knapp gegen eine Live-Übertragung ausgesprochen. Wen das interessiere, der könne ja jederzeit auf die Tribüne kommen, hatte es da noch geheissen. Mit der Pandemie aber war dieses Argument hinfällig, und heute ist der Live-Stream ein Selbstverständlichkeit. Zudem begleitet das bewegte Bild mit Ton nicht nur laufende Sitzungen, sondern steht auch - wie in Basel und anderen Kantonen - als audiovisuelles Archiv zur Verfügung. 

 

Rückblick: Forum der Parlamentsdienste

Am 23. Juni 2023 fand im Rathaus in Basel das diesjährige Forum der Parlamentsdienste statt. Über 80 Mitarbeitende der Parlamentsdienste haben an dem Anlass teilgenommen. Im Zentrum dieses Forums stand die Frage «Milizpolitik heute: Vereinbarkeit mit Beruf/Familie/Freizeit» und damit verbunden, welche Entwicklungen dies für den Parlamentsbetrieb und die Parlamentsdienste hat. Nach der Begrüssung durch den Präsidenten des Grossen Rates, Bülent Pekerman, referierte Ueli Mäder zum Thema «Wie wandelt sich die Stellung der Parlamente in der Gesellschaft?». Anschliessend diskutierten Politikerinnen und Politiker zum Thema Milizpolitik.


Im Anschluss gab es bei Gruppenarbeiten die Gelegenheit, mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Kantonen zu erörtern, welche Herausforderungen auf die Parlamentsdienste zukommen werden. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich die Milizpolitik in den letzten Jahren stark verändert und professionalisiert hat. Dadurch wachsen die Ansprüche und die Erwartungshaltung an die Parlamentsdienste kontinuierlich. Die Teilnehmenden sind jedoch der Meinung, dass in den Kantonsparlamenten weiterhin «Milizpolitik» betrieben wird und keine Entwicklungen zu Berufsparlamenten feststellbar sind.

 

Heiterkeit / Hilarité (bzw. Hilarity)

Mit dem Einzug des Englischen in die Alltags- und Geschäftssprache haben sich die meisten abgefunden und viele tragen sogar unbeschwert zu seiner weiteren Verbreitung bei. In fortgeschrittenem Alter gern auch in einer stark eingeschweizerten Aussprache – jedenfalls in der Deutschschweiz. An prominenter Stelle hat das beispielsweise Ueli Maurer praktiziert, wenn er vor den Medien über Schtartöpps oder den pandemiebedingten Schöttdaun sprach.


Aber natürlich teilen nicht alle die Gelassenheit des weltläufigen Altbundesrats, wenn es um Sprachmoden geht. Einen Ordnungsruf gegen die grassierenden Anglizismen gab es in jüngerer Zeit im Ausserrhoder Kantonsparlament. In einer Debatte über verschiedene Wege zur Zusammenlegung von Gemeinden («top down» beschliessen oder «bottom up» begleiten) musste der SVP-Vertreter Christian Oertle loswerden, dass ihm diese englischen Ausdrücke, die längst nicht allen verständlich seien, auf die Nerven gingen: «Top-Down, Pop-up und Pop-Weiss der Teufel nicht wohin poppen», brach es aus ihm heraus.


Mit dieser sehr umgangssprachlichen Pointe weckte er nicht zuletzt das Interesse des «Blick», und so ist Oertles Einsatz für die Verständlichkeit schliesslich auch einem breiteren Publikum zur Kenntnis gelangt.

 

Veranstaltungshinweis: KoRa-Jahresversammlung

Am 1. Dezember findet in Bern - voraussichtlich im Rathaus - die Jahresversammlung der KoRa statt. Die Veranstaltung beginnt um 9 Uhr 45. Nebst den Traktanden der Jahresversammlung sind Erfahrungsberichte und eine Diskussion zum Thema «Wie bauen wir das Parlament der Zukunft?» vorgesehen. Anschliessend kann der Austausch an einem gemeinsamen Mittagessen fortgesetzt werden.

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